Interview mit Jürgen Suhr


Jürgen Suhr, Direktkandidat von Bündnis 90/Die Grünen im Wahlkreis 26 (Stralsund II.), hat sich nach dem Wahlkampfabschluss im Grünen Büro in Stralsund, den Fragen von Chefredakteur Stephan Pundt gestellt. Was dabei heraus gekommen ist, lest Ihr hier - bzw. ist etwas weiter unten auf der Seite als Podcast zu hören.

Stephan Pundt: Wir stehen vor der Landtagswahl 2016 in Mecklenburg-Vorpommern. In den meisten Debatten um Politik schlägt jedoch die bundesweite Flüchtlingskrise als zentrales Thema durch. Wie stark schätzen sie den Einfluss der Bundespolitik auf die Wahlentscheidung der Bürger in Mecklenburg-Vorpommern ein?

Jürgen Suhr: Ich glaube das das schon ganz erheblichen Einfluss haben wird… weil, wir wissen aus Umfragen, dass die Flüchtlingspolitik für viele Menschen eine große Bedeutung hat - Auch wenn wir hier in Mecklenburg-Vorpommern sehr geringe Einflüsse haben. Is in der Landespolitik, sicherlich in Bezug auf Integration, Unterbringung etc. eine Rolle spielt, aber die zentralen Entscheidungen auf Bundesebene getroffen werden.

Das erstarken der AfD was prognostiziert wird, hat sicher mit dem Flüchtlingsthema zu tun.

Stephan Pundt: Gehen da vielleicht erreichte Erfolge vor Ort in der Wahrnehmung der Wähler unter? Ist eine Landtagswahl vielleicht auch ein Denkzettel für die Bundespolitik?

Jürgen Suhr: Also diese droht zum Denkzettel zu werden!

Ich glaube, das wenn ich das jetzt mal auf die Grüne Partei beziehe, ist das was wir vor Ort machen da nicht untergeht. Wir sind ja… wenn ich das an das Flüchtlingsthema denke… in vielen Organisationen engagiert, mit unseren Leuten – unterstützen - helfen.

Vor dem Hintergrund glaub ich, dass die Wahrnehmung grüner Politiker in ausreichendem Maß vorhanden ist.

Stephan Pundt: Wenn ich mir die Kriminalitätsstatistiken anschauen, verzeichnet Mecklenburg-Vorpommern seit Jahren sinkende Zahlen. Die wenigen Fälle die durch Flüchtlinge verübt wurden, sind laut Aussage des Innenministers fast ausschließlich untereinander geschehen. Also haben Flüchtlinge anderen Flüchtlingen angetan. Ist die ganze Debatte um die Sicherheit – ist das dann nicht eher eine Diskussion um eine gefühlte Unsicherheit?

Jürgen Suhr: Das ist ausschließlich eine gefühlte Unsicherheit!

Die statistischen Daten geben eine tatsächlich wachsende Unsicherheit gar nicht her, so wie es gerade richtig formuliert haben in ihrer Frage.

Gleichwohl… viele Menschen fühlen sich unsicher in diesem Land. Es ist auch richtig mit diesem Gefühl umzugehen, aber immer wieder auch deutlich zu machen, sie haben keine Grundlage… und diese Vorurteile, Kriminalität würde durch Flüchtlinge die zu uns kommen wachsen, ist einfach falsch - ist unrichtig - und das muss man immer wieder betonen.

Stephan Pundt: Anstatt die Erfolge bei der Innenpolitik besser anzupreisen – lassen sich der Innenminister und die CDU allgemein auf die Diskussion ein und sieht Nachbesserungsbedarf. Indirekt unterstützt sie damit die Thesen der AfD anstatt ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen – oder wie ist ihr Standpunkt da?

Jürgen Suhr: Ich glaube sie machen einen großen strategischen Fehler.

Das ist der Versuch, Wähler der AfD zu fischen und für sich zu gewinnen – und das wird scheitern.

Ich glaube es ist richtig – und dass ist unsere politische Maxime – der AfD offensiv entgegen zu treten. Sich inhaltlich mit ihnen auseinander zu setzen. Klare Kante zu zeigen gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus…. Und deutlich zu machen, dass wollen wir nicht in diesem Bundesland. Wir Grüne propagieren da ein Gegenkonzept - in dem wir sagen, wir stehen für eine weltoffene Gesellschaft, für eine Tolerante Gesellschaft. Das ist genau das Gegenmodell was die AfD mit Abschottung und Abgrenzung vertritt.

Die Grünen - Jürgen Suhr

(Foto: Privat)


Stephan Pundt: Die Grünen setzten in der letzten Phase des Wahlkampfes sehr stark auf das Motto AFD stoppen. Warum setzen sie nicht stärker auf die eigenen Themen und versuchen diese dem Bürger besser zu vermitteln – anstatt sich als eine Art letztes Bollwerk der Demokratie zu präsentieren?

Jürgen Suhr: Wir sind sicherlich nicht das letzte Bollwerk - aber wir sind ein Bollwerk der Demokratie.

Und das machen wir auch deutlich.

Und wenn die Menschen das Flüchtlingsthema und die damit verbundene Sicherheitsproblematik als eine relevante auch im Wahlkampf identifizieren, dann gehen wir natürlich auch darauf ein. Das heißt nicht, das wir nicht unsere anderen Themen – Auseinandersetzung mit der Massentierhaltung – Natur- und Umweltschutz – Gewässerbelastung durch Gülle-Chemikalien – besseres Schulsystem – mehr Geld in Schulsysteme… in die Schule – nicht auch betonen und thematisieren…

Aber – ganz klar, die AfD stoppen… den Rechtsruck verhindern… oder zumindest abmildern ist ein zentrales Thema auch für die Grünen auch im Wahlkampf.

Stephan Pundt: Die Grünen präsentieren sich in Stralsund allgemein als sehr bürgernah. Es werden regelmäßig Diskussionsabend veranstaltet usw. – aber trotzdem laufen Menschen der AfD zu – und empfinden diese scheinbar als deutlich näher am Wählerempfinden. Haben Sie eine Meinung dazu, was da vielleicht Schief gelaufen ist und wodurch diese Entwicklung zustande kam?

Jürgen Suhr: Wenn ich jetzt mal bei uns bleibe, bei dem was wir in den letzten 5 Jahren gemacht haben… seitdem es für uns möglich war hier dies Bürgerbüro in Stralsund, mitten im Zentrum am Alten Markt zu betreiben, kann ich mich über Zulauf nicht beklagen.

Wir haben erst gestern eine Veranstaltung gehabt mit Cem Özdemir… da waren über 100 Leute hier… wir haben regelmäßig Veranstaltungen die sehr, sehr gut besucht sind. Die Bürger und Bürgerinnen nutzen unser Büro mit ihren Anliegen…. sei es kommunal-, sei es bundespolitisch, landespolitisch zu uns zu kommen. Das ist sehr gut – und das finde ich auch gut – das war das Konzept. Wir wollen niedrigschwellig ein Angebot machen und sagen, Menschen die Sorgen haben, oder ein politisches Anliegen haben, sollen zu uns kommen. Die werden ernst genommen. Das ist extrem wichtig – unabhängig davon, dass wir das gut finden, was sie hier vortragen und sagen. Sondern es geht darum: Bürger und Bürgerinnen ernst zu nehmen, ihre Anliegen aufzugreifen und sie verbindlich zu bearbeiten. Das machen wir hier… und in sofern können wir uns über Zulauf nicht beklagen.

Stephan Pundt: Kommen wir mal weg von der Bundes- zur Landes- oder gar Lokalpolitik. Dort finden wir ja auch derzeit 3 recht aktuelle Themen bei denen die Grünen auch sehr präsent sind. Da haben wir das Thema Schülerbeförderung im Landkreis Vorpommern-Rügen – die Einstellung der Bahnstrecken in Richtung Darß und die Südbahn – und die etwas abgetauchte Theaterfusion. Gibt es bei diesen Themen aktuelle Entwicklungen oder geplante nächste Schritte seitens ihrer Partei?

Jürgen Suhr: Fange ich bei der Theaterfusion an – Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Arbeitsgruppen hinsichtlich der Fusion… auch des Theaters Vorpommern und damit des Stralsunder Hauses gerade begonnen haben zu arbeiten…. Das ist wirklich ein zentraler Punkt… wenn CDU und SPD mit der Landesregierung weiter machen können… wenn sie die Mehrheiten schaffen… dann wird es diese Fusion geben. Gelingt eine andere Mehrheit zu schaffen, auch mit grüner Beteiligung, werden wir diese Fusion wieder in Frage stellen. Das Stralsunder Haus muss eigenständig erhalten bleiben… mit allen Sparten… und es muss auskömmlich finanziert werden. Das ist die Maxime der Grünen.

Wenn ich zum Thema Schülerbeförderung komme – Es ist ein absolutes Unding bei uns im Landkreis, das Eltern für Kinder die Schülerbeförderungskosten bezahlen müssen. Auch ein Beispiel wo eine Schule näher am Wohnort liegt als die vom Staat vorgesehene Schule. Das ist ein völliges Unding. Da sind wir Sturm dagegen gelaufen mit der Bürgerinitiative… mit mehreren Bürgerinitiativen im Land. Das werden wir wieder aufgreifen im Landtag… auch unter anderem über eine Schulgesetzänderung.

Und das dritte Thema… helfen Sie mir noch mal…

Stephan Pundt: Darß- und Südbahn….

Jürgen Suhr: Darßbahn – Wir haben ja im Juni über ein renommiertes Institut eine Studie vorlegen lassen, wie man die Bahn hier in Mecklenburg-Vorpommern organisieren kann… und wir haben nachgewiesen – das ist finanzierbar. Und auch da fehlt es einzig und alleine am politischen Willen das umzusetzen.

Die Landesregierung – SPD und CDU – klagen… beklagen das Feststellungsverfahren. Für mich ein völliges Unding - Verzögert das gesamte Verfahren - Sondern es geht darum, jetzt nach dem Planfeststellungsverfahren die Finanzierung sicher zu stellen.

Da muss das Land sich engagieren.

Die Studie unsererseits liegt vor. Das werde wir in Koalitionsverhandlungen einbringen, falls wir denn in der Lage sind uns an einer Regierung zu beteiligen.

Stephan Pundt: Als letztes Thema habe ich noch Integration und Akzeptanz in der Bevölkerung

Es werden immer viele Forderungen in Richtung von Flüchtlingen gestellt, was die alles zur Integration beitragen sollen. Aber auf der anderen Seite erlebt man, dass viele Neuankömmlinge trotzdem ausgegrenzt werden. Wie kann man die Akzeptanz in der Bevölkerung verbessern?

Jürgen Suhr: Man kann es sicher nicht kurzfristig verändern.

Es ist eine Politik der kleinen Schritte und des mittelfristigen und langfristigen Umgangs miteinander.

Ich kann nur raten jedem seine persönlichen guten Erfahrungen im Umgang mit Geflüchteten zu machen. Ich komme selbst aus einer Region wo es viele türkische Mitbürgerinnen und Mitbürger gab. In dem Stadtteil in dem ich gearbeitet habe, waren in Nordrhein-Westfalen seiner Zeit, waren das mehr als 50 Prozent.

Ich habe immens davon profitiert diese Kultur kennen zu lernen. Diese Menschen kennen zu lernen. Sich miteinander zu unterhalten… unendlich viel zu lernen und zu erfahren… und diese Politik der kleinen Schritte ist das beste Mittel der Integration. Es gibt hier in Stralsund viele Menschen die sich engagieren, bei der Integration geflüchteter Menschen.. . das sind schon sehr gute erste Schritte und das müssen wir einfach weiter entwickeln.


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03.09.2016: Bündnis90/Die Grünen Direkkandidat Jürgen Suhr

Das Interview

Jürgen Suhr, Direktkandidat von Bündnis 90/Die Grünen im Wahlkreis 26 (Stralsund II.), hat sich nach dem Wahlkampfabschluss im Grünen Büro in Stralsund, den Fragen von Chefredakteur Stephan Pundt gestellt. Was dabei heraus gekommen ist - hört ihr hier.

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